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Roland Ratzenberger: «Wie werde ich Rennfahrer?»

Von Gerhard Kuntschik
​Der Österreicher Roland Ratzenberger gehörte zur seltenen Spezies Rennfahrer, die sich aus dem Nichts zum Formel-1-Fahrer gemacht haben. Seine Qualitäten begleiteten ihn sein ganzes, viel zu kurzes Leben.

Dezember 1980. Walter Röhrl, Franz Wittmann, Sepp Haider & Co. erfreuten kältetaugliche Fans bei der Saalbacher Eis- und Schneerallye.

In der Servicezone bei der Zwölferkogel-Bahn wird der Autor von zwei Teenagern angesprochen. Sie stellen sich als Roland Ratzenberger und Gerald Lachmayr aus Salzburg vor, seien Schüler einer technischen Mittelschule (HTL), wollten aber ihre «Matura» in Rennautos statt in der Schulbank machen.

«Wie können wir am schnellsten Rennfahrer werden?» fragen sie. Der Tipp: «Geht zu Walter Lechner in die Racing School und schaut, ob ihr genügend Talent habt.»

Das taten sie.

Lachmayr gab irgendwann in der Formel Ford auf.

Ratzenberger absolvierte den Militärdienst, biss sich danach durch. Bald als Instruktor und Mechaniker, womit er seine eigenen Einsätze finanzierte. Er lebte in und unter Trucks, jobbte als Notnagel für alles in Nachwuchsteams und erarbeitete sich so sein Cockpit in der Formel Ford. 1985 gewann er die österreichische, deutsche und europäische Formel-Ford-Meisterschaft. Was seinen Ehrgeiz nur noch mehr anspornte.

Was Roland einsetzen konnte, hatte er selbst erarbeitet. Siege im legendären Race of Champions und im Festival der Formel Ford 1986 in Brands Hatch machten ihn in England populärer als in Österreich.

Auch deshalb, weil er in England als «Roland the Rat» bekannt wurde und wegen einer Trickfilmserie, in der eine Ratte namens Roland die Hauptrolle spielte, plötzlich ein Star wurde.

In Deutschland wurde er Nachfolger des zu Ferrari gewechselten Gerhard Berger bei Schnitzer-BMW in der Tourenwagen-WM 1987. Die Saison war gut, aber nicht herausragend. Platz 10 in der WM, der eine Basis für weitere Tourenwageneinsätze für die Münchner in Japan und Großbritannien legte.

1988 war das Jahr, in dem er nach England übersiedelte, in eine kleine Wohnung im Dorf Blakesley, ein paar Minuten von Silverstone entfernt.

Trotz der Tourenwagen-Einsätze wusste Roland: Im Monoposto kann es ganz nach oben gehen. Formel 3, Formel 3000 waren die nächsten Schritte.

1987 gewann er ein verregnetes F3-Euroseries-Rennen auf dem Nürburgring mit West Surrey. 1988, im Madgwick-Team, wurde aber ein Desaster. So beschloss er den Sprung in die britische F3000 mit Spirit und wurde Gesamtdritter.

Die erste Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen, bot sich für Roland auf der Langstrecke. Team-Manager Peter Reinisch, Salzburger wie er selbst und früher bei Schnitzer, lotste Roland zum Porsche-Kunden Brun.

Im Team des Schweizers gab er 1989 sein Le-Mans-Debüt, als Teamkollege seines einstigen Lehrmeisters Walter Lechner. Der nach wenigen Stunden einen haarsträubenden Crash nach Reifenplatzer im Porsche 962 überlebte. Aber Rolands Begeisterung für Le Mans war geweckt.

Nach einem Test für das Toyota-Team Sard erhielt Roland einen Vertrag in Japan. Er wurde der erste Europäer im Werksaufgebot Toyotas und übersiedelte nach Japan – mit einem vollen Programm in Gruppe C, Formel 3000 (heute Super Formula) und Tourenwagen.

1991 taten sich für Roland zwei Chancen auf.

Zum einen war er im Gespräch mit Formel-1-Einsteiger Eddie Jordan über das zweite Cockpit neben Andrea de Cesaris (das dann an Bertrand Gachot und später Michael Schumacher ging). Das Projekt scheiterte am Platzen des Sponsorenpakets mit einer Brauerei und einem Ölmulti, das Manager Burkhard Hummel zu schnüren versucht hatte.

Zum anderen in den USA, wo Roland einen Test für Dick Simons CART-Team in Willow Springs absolvieren konnte, doch auch hier scheiterte er am Budget, nicht an der fahrerischen Leistung.

1992 lag Rolands Hauptjob in Gruppe-C-Rennen. Dritter in den 24 Stunden von Daytona in einem Porsche, Neunter im nicht mehr taufrischen Toyota 92C-V Turbo in Le Mans mit Eddie Irvine und Eje Elgh.

An der Sarthe folgte 1993 ein Marathoneinsatz mit Mauro Martini, weil der dritte Fahrer Naoki Nagasaka nur die Minimumzeit ans Steuer durfte. Platz 5 und Klassensieg bei den Turbos im Toyota 93C-V waren die Entschädigung. Teamkollege Martini nannte Roland danach einen der besten Gruppe-C-Piloten.

In Japan war Roland viel mit der Europäer-Gang unterwegs: Johnny Herbert, Mika Salo, Heinz-Harald Frentzen, Andrew Gilbert-Scott & Co. Frentzen bewahrte er einmal bei einem Disput in einer Disco vor einem Angriff eines Einheimischen.

Was er von Walter Lechner neben Rennfahren auch noch lernte: die Information der Medien, zumindest derjenigen, die sich für ihn interessierten, und das waren in Österreich vor seinem Formel-1-Einstieg ungefähr fünf Journalisten.

Wenn Roland anrief, begann er immer mit «Servas, da Roland is’s.» Und am Tonfall war sofort erkennbar: er war ausgeschieden und frustriert oder bedingt zufrieden oder recht happy. Er brauchte gar nicht weiterzureden, nur die Details noch schildern.

Im Winter 1993/’94 ergab sich die nächste Chance zur Formel 1: Mit dem Neulingsteam Simtek-Ford. Die in Monaco eine Künstleragentur betreibende Deutsche Barbara Behlau wurde von einem Bekannten auf Roland aufmerksam gemacht. Sie unterstützte Roland mit 500.000 Pfund für die ersten fünf Grands Prix 1994.

Das Team hatte mit dem Musiksender MTV einen Hauptsponsor, der Roland gut fand, weil er in England auch durch die «Roland the Rat»-Episoden bekannt war.

Klar war seine Nummer-2-Position, denn Teamkollege war David Brabham, dessen Vater und Dreifach-Champion Sir Jack Vierteleigentümer von Simtek war.

Das hieß auch Nummer 2 bei neuen Teilen. Erst Anfang März, beim F1-Wintertest in Imola, kam Ratzenberger zu den ersten richtigen Testrunden im GP-Auto, damals noch mit einem weißen, neutralen Overall fahrend – so kurzfristig war die Entscheidung gefallen.

Im Debüt in São Paulo verpasste Roland die Qualifikation. Simteks Motor war zwei Stufen unter dem Werksteam Benetton.

Probleme mit dem Motor und einem gebrochenen Dämpfer zerstörten die Quali-Chance am Freitag, Samstag folgte Regen und das Aus.

Beim nächsten Lauf, dem Pazifik-GP in Aida (Japan), kämpfte sich Roland als Elfter erstmals in der Formel 1 ins Ziel. In Imola wollte er Brabham und die Pacific-Fahrer schlagen und ins Mittelfeld vorstoßen.

Geblieben ist er aber über die gesamte Karriere er selbst: ehrgeizig, bodenständig, freundlich, hoch talentiert. Und ein Kumpel, der es in seinen seltenen Salzburg-Besuchen (einer führte zu einer Blitzheirat mit anschließender Blitzscheidung) genoss, in einem Bierlokal zu plaudern.

Am 30. April 1994, in der Qualifikation um 13.22 Uhr, war alles aus und vorbei.

Ein in der Vorrunde an den Randsteinen beschädigter Frontflügelteil brach, sandte den Simtek in die Mauer der Villeneuve-Kurve.

Wie Rolands Kopf hin- und herbaumelte und er leblos im Cockpit saß, es war jedem klar, dass es keine Hoffnung mehr gab.

Eineinhalb Stunden später wurde er in der Maggiore-Klinik von Bologna für tot erklärt.

Roland war 58 Tage lang Formel-1-Pilot.

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